Den Alltag eines anderen erleben


Neugierig - aber auch mit etwas Skepsis - begannen die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 im Januar (15.01. – 26.01.) ihr Sozialpraktikum. Zwei Wochen lang hatten sie die Möglichkeit, verschiedene Einrichtungen wie zum Beispiel Altenheime, integrative Kindergärten oder Krankenhäuser zu besuchen und die Menschen, die diesen Institutionen Farbe geben, und deren Geschichten kennenzulernen. „Ich wusste nicht genau, was auf mich zukommen wird und das hat mich anfangs etwas verunsichert. Aber ich habe mich auch auf diese Abwechslung gefreut“, so ein Schüler.

Nach zwei ereignisreichen Wochen hatten die Schülerinnen und Schüler bei dem gemeinsamen Abschluss in der Schule einiges zu berichten. Dabei erzählte jeder von seiner ganz individuellen Erfahrung: Von den Aufgaben, die ihnen übertragen wurden, von besonders bewegenden Momenten, dem täglichen Ablauf, aber vor allem von den Einblicken in das Leben der Menschen, die sie in so kurzer Zeit kennenlernen durften. Einige Schülerinnen und Schüler erzählten erstaunt davon, wie herzlich sie von ihren Mitmenschen aufgenommen wurden – die anfänglichen  Berührungsängste waren so schnell überwunden.

Zu den täglichen Aufgaben gehörten unter anderem das gemeinsame Spielen im Kindergarten, das Essen Anreichen in den Seniorenheimen und das Begleiten zu Therapie-Gruppen in den Krankenhäusern. Dadurch bekamen die Schülerinnen und Schüler nicht nur Einblicke in das Leben der Menschen, sondern konnten auch einen Teil ihres Alltags kennenlernen. Eine Schülerin, die ihr Sozialpraktikum in einer integrativen KiTa verbrachte, erzählte: „Die Kinder waren meine Freunde.“

Aber nicht nur bei den Kindern, auch im Seniorenheim konnte man Freude am Leben spüren. Die Schülerinnen und Schüler berichteten, wie nett sich die älteren Menschen um sie kümmerten, dass sie ihnen viel erzählten und so humorvoll waren, dass es ihnen nie langweilig wurde. Allerdings wurden die Schülerinnen und Schüler auch mit der harten Seite des Lebens konfrontiert. „Eine Frau sagte zu mir, dass ich gar nicht wisse, wie schwer es sei alt zu werden. Das ist mir irgendwie im Kopf geblieben“, erklärte eine Schülerin, die die zwei Wochen in einem Seniorenheim verbracht hatte und eine weitere Schülerin, die Erfahrungen bei „Menschen ohne Wohnung“ gesammelt hatte, stellte betroffen fest: „Ein Schicksalsschlag trifft einen einfach mitten im Leben und schon kann man auf der Straße sein.“

Und auch Schülerinnen und Schüler, die sich mit behinderten Menschen beschäftigt hatten, reflektierten über das Erlebte: „Ich verstehe nicht, wieso man „Behinderung“ sagt. Die Menschen, mit denen ich zu tun hatte, waren nicht behindert, also hat sie nichts davon abgehalten das zu tun, was sie wollten.“

Obwohl es nicht immer einfach war, in sich diesem neuen Umfeld zurechtzufinden und das Sozialpraktikum auch mal anstrengend sein konnte, war die Zeit vor allem von positiven Erfahrungen geprägt. So wurden die Erwartungen oft sogar übertroffen und die Schülerinnen und Schüler kehrten mit einer Reihe neuer Erkenntnisse wieder. Diese Erfahrung macht das Bischöfliche Cusanus-Gymnasium schon seit Jahren und verdeutlicht immer wieder, wie wertvoll das Sozialpraktikum nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Menschen, mit denen sie Zeit verbringen dürfen, ist.

Abschließend lautete der Tenor: Das Sozialpraktikum hat den Schülerinnen und Schülern eine neue Sichtweise eröffnet und ihnen die Möglichkeit gegeben, Menschen in anderen Lebenssituationen zu begegnen. Dabei gab es nicht, wie anfangs befürchtet, Hindernisse, sondern offene Arme, von denen sie direkt aufgenommen wurden. „Im Nachhinein bin ich froh, dass das Sozialpraktikum verpflichtend ist. Von alleine wäre ich nie auf die Idee gekommen so etwas zu machen und so konnte ich Erfahrungen sammeln, die ich im Alltag nie so intensiv haben könnte“, so ein Schüler. Obwohl dies nicht das eigentliche Ziel des Sozialpraktikums war, denken manche Schülerinnen und Schüler, die vorher noch keinen Einblick in dieses Feld hatten,  nun sogar über einen Beruf im sozialen Bereich nach. Einige Schülerinnen und Schüler bedauerten, dass das Sozialpraktikum nun schon vorbei sei. Man habe sich gerade so gut eingefunden und die zwei Wochen seien so schnell vorbeigegangen, dass es schwerfalle nun nicht mehr jeden Tag dorthin zurückzukehren.

Judith Scherer (MSS 11)