"Die Hölle von Verdun"

"Die Hölle von Verdun"

Am 1.03.24 trafen sich die Schülerinnen und Schüler des Geschichte- und Deutsch- Leistungskurses der MSS 12 unter der Leitung von Frau Kronewald und Herrn Dünnwald-Rommel in aller Frühe am Parkplatz der Rhein-Mosel-Halle, um gemeinsam den Weg nach Verdun anzutreten. 

Verdun ist eine Kleinstadt im Nordosten Frankreichs und war zugleich Schauplatz der bekanntesten und verlustreichstenKämpfe, „Schlacht um Verdun“, des ersten Weltkriegs. 

Nach etwa vier Stunden Busfahrt - mit einem kurzen Zwischenstop in Luxemburg und einer thematischen Einführung durch Herrn Dünnwald-Rommel - kamen wir gegen 10:20 Uhr an unserem Ziel an. 

Die erste von insgesamt vier Stationen unserer Exkursion war das Beinhaus von Douaumont. 

Schon von weitem war es nicht zu übersehen, denn den Mittelpunkt der Gedenkstätte bildete ein gewaltiger Glockenturm, von dem aus sich zwei Gebäudeflügel erstreckten. 

Nach einer freundlichen Begrüßung von Madame Meriot, einer französischen Historikerin, die uns an die einzelnen Tagesziele begleitete und mit ausgezeichnetem Hintergrundwissen versorgte, wurde uns auch schon die Symbolik des bedeutungsträchtigen Bauwerkes erklärt. Wenn man vor dem Haupteingang steht, ähnelt das Gebäude einem Schwertheft (Knauf, Griff und Parierstange), das aus dem Erdreich herausschaut. Dies verweist auf die mittelalterliche Praxis, ein Schwert zum Zeichen des Friedens bis zum Heft in die Erde zu stecken. Diese Botschaft wird durch den Schriftzug über dem Eingang, der zum Soldatenfriedhof zeigt - „Pax“ -, nochmals unterstrichen. Eben das - Friede - soll mit dieser Gedenkstätte zum Ausdruck gebracht werden. 

Schon in den ersten Minuten bekamen wir eine Vorahnung von dem schrecklichen Ausmaß des Leidens und der Tode, denn von außen konnten wir durch die Fenster in der Mauer des Gebäudes in das Gebeinhaus schauen, in dem unzählige Knochen und Schädel aufbewahrt werden. 

Diese stammen, im Gegensatz zu den Leichnamen, die auf dem angrenzenden Soldatenfriedhof begraben liegen, von Soldaten, die nicht identifiziert werden konnten. Somit auch nicht nur von französischen, sondern ebenso von deutschen Männern - es sei eine gemeinsame Gedenkstätte, betonte Madame Meriot. 

Der Impuls für ihre Errichtung kam von dem französischen Bischof  Charles-Marie-André Ginisty und sie bewahrt die Überreste von etwa 130 000 Menschen. Jedes Jahr kommen neue hinzu, da durch Erosion immer wieder Knochen freigelegt werden. Das ganze Gebiet ist ein riesiger Friedhof. 

 

Ein kurzer Dokumentarfilm führte uns in das Szenario des Kriegsschauplatzes Verdun und die verlustreiche Schlacht ein. 300 Tage und Nächte lang bekämpften sich französische und deutsche Soldaten in einem leidvollen Stellungskrieg.  

Die Bedingungen in den Gräben - Kälte, Hunger, Dreck, Nässe, Schlamm und nicht zuletzt die ständige Todesangst - waren qualvoll. Insgesamt kamen im ersten Weltkrieg etwa 17 Millionen Menschen ums Leben - die Schlacht von Verdun (21.02.-19.12.1916) forderte allein über 700 000 Opfer.  

In dem Film hieß es sinngemäß: „Im Schmelztiegel von Verdun werden Adeliger, Bürger, Bauer, Pfarrer und Freidenker eine Person. Nackte Menschen im Angesicht des Todes.“ 

Die Symbolik des „Schmelztiegels“ konnte man auch im Inneren der Gedenkstätte Wiedererkennen. 

Der Gewölbekorridor, in dem die Namen vermisster Soldaten, sowie ihre Geburts- und angenommenen Todesdaten in die Steine des Gemäuers eingraviert waren, wurde durch entsprechend verglaste Fenster in feuerrotes Licht getaucht und wirkte so selbst wie ein überdimensional großer Ofen. 

Je mehr wir uns mit dem Krieg, der Schlacht, dem Leid sowie den Opfern und ihren Schicksalen auseinandersetzten, desto mehr wurde uns bewusst, dass im Krieg und besonders in der Schlacht von Verdun, zahlreiche Menschenleben „verheizt“ wurden - im Grunde völlig umsonst. Franzosen wie Deutsche bezeichneten die Schlacht als „Blutpumpe“, „Knochenmühle“ oder einfach „die Hölle“/l´enfer. 

Auch der Soldatenfriedhof mit den vielen in Reihe angelegten Gräbern führte uns dieses Ausmaß vor Augen. Neben den vielen weißen Kreuzen gab es auch einen muslimischen, sowie einen jüdischen Teil mit den entsprechenden Grabmälern. 

Seit dem symbolischen Handschlag des französischen Präsidenten François Mitterand mit dem deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl ist Verdun ein Ort der Versöhnung unserer Staaten: la réconciliation franco-allemande. 

Weiter ging es für uns zum „Fort de Douaumont“, der größten Festungsanlage im Umkreis von Verdun. Die im Deutsch-Französischen Krieg (1870-1871) errichtete Garnison bestand unter anderem aus Schlaf- und Essräumen, einer Küche, einer Kapelle und sogar einer Bäckerei. 

Da es im ersten Weltkrieg zunächst ruhig um Verdun war, wurde sie erst abgerüstet, ehe sie von deutschen Truppen erobert wurde und erst nach langer Belagerung und intensivem Beschuss wieder an Frankreich fiel. 

Der Bau des Forts ähnelt dem eines Hauses und besteht aus einfachem Mauerwerk. Allerdings wurde es später zusätzlich mit einem speziellen Beton überzogen, dann wurde außerdem eine Erdschicht auf die Decke gelegt, sodass wir eine etwa sechs Meter dicke Schicht über unseren Köpfen hatten. 

Bedrückend war allerdings nicht nur das Ambiente, sondern auch ein besonders tragischer Vorfall: In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1916 explodierte ein Munitionslager in der Garnison, woraufhin eine Massenpanik ausbrach. Wer hinfiel, wurde überrannt - ingesamt fanden in dieser Nacht 800 deutsche Soldaten, zumeist Verletzte oder Ausruhende, den Tod. 

Viele von ihnen wurden draußen begraben, aber auch ein Lagerraum wurde als Massengrab verwendet und anschließend zugemauert, wobei jedes Opfer vorher identifiziert wurde.  

Heute ist der Ort zusätzlich eine Gedenkstätte, wo wir der  Opfern mit einem vorgelesenen Text gedachten.  

Als vorletzter Punkt stand das „Mémorial de Verdun“, ein sehr interessant und abwechslungsreich gestaltetes Museum, auf unserem Programm, wo wir uns auch von Madame Meriot verabschiedeten.  

Hier konnten wir uns nach eigenem Belieben mit bestimmten Themen, wie beispielsweise dem genauen Verlauf des Krieges, der medizinischen Versorgung, der Rolle der Tiere, den „Frontzeitungen“, Augenzeugenberichten und vielem mehr auseinandersetzen. 

Obwohl man innerhalb einer Stunde nicht die ganze Informationsfülle des Museums ausschöpfen konnte, waren wir doch nach den vielen Eindrücken reichlich mit neuem Wissen gefüllt und legten einen letzten kurzen Fußmarsch zu dem Denkmal für das kleine Dorf Fleury zurück, welches durch die dort ausgefochtenen Kämpfe vollends zerstört wurde. Es wechselte 17 Mal die Seiten. Nur kleine Markiersteine erinnern daran, wo Bauernhöfe, Wohnhäuser, die Kirche standen. Fleury ist restlos ausgelöscht. 

Unser Rückweg zum Bus führte uns auf den Wegen über das Schlachtfeld von Verdun, bei dessen Anblick man aufgrund der hügeligen Kraterlandschaft und den deutlichen Spuren der Schützengräben auch die zerstörerischen Auswirkungen auf das dortige Ökosystem erahnen konnte. 

Nach einer reibungslosen Rückfahrt kamen wir mit viel neuem Wissen und tiefgreifenden Eindrücken, die es erst einmal zu verarbeiten galt, wieder wohlbehalten in Koblenz an. 

Anna-Lena Neufeld