Sozialpraktikum 2023

Bericht des Sozialpraktikums 2023

Rege Unterhaltungen kündigten am Freitag, dem 11.02.23, die Rückkehr der Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 10 aus dem Sozialpraktikum an.

Dieses absolvierten sie vom 30.01.23 bis zum 11.02.23 und beendeten es am letzten Tag mit einer Reflexionsphase und Präsentationsveranstaltung in der Schule.

Von Krankenhäusern und Rehazentren, Altenheimen, Arbeitsstätten mit Beeinträchtigten und psychisch Kranken über die Tafel bis hin zu Berufen des pädagogischen Bereichs wie Schulen und Kitas war vieles vertreten. Dabei war es wichtig, dass alle Einrichtungen dem Sozialpraktikum unter dem Aspekt „Compassion“ gerecht würden. Das Kennenlernen von Menschen in anderen Lebenssituationen und das Entwickeln von Fähigkeiten wie Empathie, Solidarität und sozialer Kompetenz standen hier im Vordergrund.

In den jeweiligen Arbeitsfeldern wurde der Alltag, oder ein Teil dessen, mit ganz unterschiedlichen Menschen verbracht, was viele Schülerinnen und Schüler in besonderer Weise herausforderte.

Sei es die Begleitung von krebskranken Menschen mit geringen oder nicht vorhandenen Heilungschancen, gemeinsame Bauprojekte mit beeinträchtigten Personen oder die Therapie von gelähmten Kindern - die Aufgabenbereiche waren vielfältig. Auch die Betreuung von Demenzpatientinnen und -patienten und psychisch Kranken sowie das Arbeiten mit Kindern, die einer besonderen Förderung bedurften, gehörten dazu. Außerdem Gemeinschaft haben mit Senioren oder Menschen, die im Hospiz ihre letzte Lebensphase verbringen.

Doch das Fazit stand fest: „Hier ging es nicht in erster Linie darum, den Traumberuf zu finden, sondern darum, zu lernen, Menschen zu begegnen und mit ihnen im Alltag umzugehen“, formulierte es ein Schüler.

Ein Ziel war es, die Berufe mit dem Zwischenmenschlichen zu verbinden und gerade das hat die meisten Teilnehmenden in den zwei Wochen am meisten geprägt.

Durch ihr Praktikum konnten sie lernen, unterschiedlichen Menschen - mit Beeinträchtigung oder in einer ganz anderen Lebenssituation - auf angemessene Weise zu begegnen. Fähigkeiten, deren Entwicklung im Alltag oft zu kurz kommen, die aber ein wichtiges Standbein in der Gesellschaft sind.

Der Blick für die Individualität des Menschen wurde geschult und auch der Geduldsfaden oft auf die Probe gestellt. Doch am Ende sagten die Schülerinnen und Schüler selbst, das gerade diese Herausforderungen sie weitergebracht hätten.

Ein Schüler berichtete von einem Bauprojekt, an dem er mit einem beeinträchtigten Mann arbeitete, der die deutsche Sprache nicht beherrschte. Dort hatte er die Möglichkeit, handwerkliche Erfahrungen zu sammeln und mit den dort mitarbeitenden Menschen zu kooperieren. Als er jedoch nach einer Woche mehr gelernt hatte als der Bewohner nach vielen Jahren, wurde er plötzlich von diesem gemieden. Durch solche zunächst unschöne Situationen konnte er jedoch lernen, diese Konflikte zu klären und Schritte auf andere zuzugehen. Zudem war die erneute Zusammenarbeit nach der „Versöhnung“ umso schöner.

Diese und ähnliche Erfahrungen machten die Schülerinnen und Schüler aber auch darauf aufmerksam, wie viele Fähigkeiten im Alltag als selbstverständlich wahrgenommen werden und wie dankbar man für das sein kann, was man kann und hat.

Denn die Freude vieler Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtungen, besonders über das „Gewöhnliche“ und Alltägliche, steckte auch die Schülerinnen und Schüler an.

Ebenso wurde von den Praktikantinnen und Praktikanten aus den Schulen und Kitas berichtetet, dass Noten und Leistung in eine andere Relation gesetzt wurden. Schule ist mehr als nur eine „Lehranstalt“ und die Kinder mit ihren Bedürfnissen haben einen hohen Stellenwert. Migrationshintergrund und Beeinträchtigungen spielten keine große Rolle und es war erfrischend, die Ehrlichkeit und Gutherzigkeit der Kinder zu erleben. 

„Man sollte nicht verlernen, die Welt aus den Augen eines Kindes zu sehen“, war das Fazit einer Schülerin.

 

Obwohl man vielen Menschen helfen und Einblicke in die Berufe gewinnen konnte, berichteten die Teilnehmenden auch, wie viel sie von den Menschen, mit denen sie zu tun hatten, lernen durften.

„Es war inspirierend, wie Menschen trotz ihrer Schicksalsschläge die Kraft aufbringen, die letzten Monate energievoll zu leben.“, so eine Schülerin. Sie durfte miterleben, wie man selbst durch eine scheinbar aussichtslose Situation mit Hoffnung gehen kann und dennoch Fortschritte möglich sind.

Für viele stellte es zu Beginn des Praktikums eine Schwierigkeit dar, mit den Menschen in den entsprechenden Einrichtungen in Kontakt zu treten. Fragen diesbezüglich hatte sich auch ein Schüler vor seinem Praktikum in einer Einrichtung mit Demenzkranken gestellt. Was zu Beginn der zwei Wochen jedoch noch ein Problem war, wurde irgendwann mehr und mehr zur Gewohnheit. Man wusste, was man fragen, spielen und reden konnte und ebenso, was besser vermieden werden sollte.

Zusätzlich veränderten sich die Sichtweisen auf die Personengruppen und die alten Denkmuster wurden oftmals aufgebrochen.

„Ich habe gelernt, dass der Kern, der bei einer Demenzerkrankung erhalten bleibt, die individuelle Persönlichkeit ist.“, berichtete er begeistert.

 

Doch auch der Auseinandersetzung mit schweren Schicksalen konnten viele Praktikantinnen und Praktikanten nicht entgehen.

Für eine Schülerin war es erschreckend zu hören, wie die Geschichten von Menschen stark von der Herkunft des Einzelnen abhängen. Was kann eine Person dafür, wenn sie in einem Land geboren ist, in dem Krieg herrscht und eine schlimme Flucht erleben muss?

Ein teilweise gelähmtes Mädchen habe erzählt, wie verständnislos es schon von Menschen behandelt worden sei. Das regt zum Nachdenken an. Es stellt sich die Frage: Wie begegne ich solchen Personen im Alltag?

Ebenso waren Traumata von Kindern ein Thema - keine leichte Kost.

All das Genannte sind Dinge, die Menschen mit sich herumtragen und die sich häufig auf deren Verhalten auswirken. Für einige war es eine Herausforderung, einen guten Umgang mit dem Gehörten zu finden, mit anderen in einem möglichen Rahmen darüber zu reden, aber auch den Menschen ehrlich zu sagen, wann für einen selbst die Grenze erreicht ist.

Vor allem aber konnten die Schülerinnen und Schüler lernen, wie es möglich ist, ein tieferes Verständnis für das Gegenüber zu entwickeln.

 

Dank dem vielen Unbekannten, den Herausforderungen und zahlreichen berührenden und schönen Momenten können die Schülerinnen und Schüler auf eine persönlich bereichernde Zeit zurückblicken, in der sie über sich hinausgewachsen sind und für ihr Leben gelernt haben.

 Anna-Lena Neufeld, MSS 11