Der „Tatort” für irre Physiker


Vielleicht wird es der kürzlich erfolgte Nachweis von Pentaquarks sein, der aus Dürrenmatts Science-Fiction-Krimi um den Physiker Möbius schreckliche Realität werden lässt. Mit Nordkorea, Pakistan, China, Russland und neuerdings auch Großbritannien und den USA verfügen Mächte über Atomwaffen, die nicht unbedingt als Heimstatt ziviler Humanität und zwischenstaatlicher Verlässlichkeit auftreten.

Wahrscheinlicher ist, dass es nicht mehr unbedingt die Physiker, sondern die Informatiker allen Grund haben, sich in Irrenhäusern zu verstecken, bevor sie zur Horrorversion eines digitalen Überwachungsstaates werden, der längst gar kein Staat mehr ist, sondern ein multinationaler Konzern. Ob der dann Google, Huawei oder Zahnd Incorporation heißt, wird sich noch herausstellen.

Professor Möbius jedenfalls - Jakob Artmann - gibt den nervenkranken Moralisten in kinskiesker Exaltation - hat sich mit seinen Theorien, die zur Waffe schlechthin werden sollen, in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie versteckt. Ihm auf den Fersen sind nicht nur seine Krankenschwester Monika (hingabevoll Lena Baulig), sondern auch die Geheimdienstler Kilton alias Newton, in dessen Rolle Julius Jorde durch sein witziges Spiel einen Lacher nach dem anderen einheimste, und Eisler alias Einstein, den Jennifer Brodt in einer frappierend ähnlichen Maske ebenso erheiternd wie tiefgründig spielte.

Bis hin zu den Nebenrollen Polizist Guhl (Finn Waldecker) und Gerichtsmediziner (Mads Schulte-Wissermann] herunter spielte das Ensemble außergewöhnlich textklar und konzentriert, stets voller Körperspannung und mit vielen eingestreuten Handlungsgags. Gerade die Mimen der 5. Klasse erwiesen sich als geborene Komödianten.

Am Ende der Dürrenmatt‘schen „Tatort”-Folge wird es für Inspektorin Ricarda Voß (herrlich dauerfrustriert: Julia Nell.) jede Menge Leichen geben. Am schlimmsten aber wird sein, dass die Irren noch die Gesundesten sein werden. Denn Mathilde von Zahnd hat nicht nur ihre komplette Verwandtschaft in die Klapse gebracht und dort abgemurxt, um sie zu beerben. Franziska Kirst spielt die wahrhaft Geisteskranke nicht als bucklige Jungfer, sondern als um ihr Leben betrogenes ungeliebtes Kind, das völlig moralfrei seinen Egoismus auslebt.

Die Theater-AG des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums hat sich des modernen Klassikers unter der Regie von Stephan Baulig angenommen. Das hat zwei Vorteile: Nach den Erfahrungen der letzten Aufführungen lag die Messlatte ziemlich auf der Höhe eines Profi-Theaters. Dass Extra- Vorstellungen angeboten werden mussten, um den Publikumsandrang zu befriedigen, spricht für die Qualität der Aufführung und das Engagement des Junglehrers.

Der andere Vorteil: Die Baulig Consulting GmbH stiftet anlässlich der Premiere 2000,- € an die Theater-AG. Firmeninhaber Andreas und Markus Baulig, Brüder des Regisseurs, sind ehemalige Schüler der Schule und standen selbst einst auf den Brettern, die die Welt bedeuten: „Theater zu spielen hat unser Selbstvertrauen gestärkt, Merkfähigkeit entwickelt und uns spielerisch viele Kompetenzen erschlossen, die nun Gewinn bringend in unsere Firma einfließen. Dafür möchten wir gern unserer alten Schule ein Dankeschön zurückgeben und die Theaterarbeit fördern.”

Im April 2019 bestand im Klangraum des Cusanus-Gymnasiums also reichlich Gelegenheit, über die Gefährdung der Welt ebenso zu lachen wie intensiv nachzudenken und einen spannenden Theaterabend zu genießen.

Es spielten: Möbius:Jakob Artmann (12), Newton:Julius Jorde (10b),: Einstein: Jennifer Brodt (11), Murillo: Luca Jost (12), Mathilde von Zahnd: Franziska Kirst (11), Pastor Rose/Sievers: Timotheus Schüßler, Luca Rudolph (12), Sr. Stettler: Lena Baulig (12), Sr. Boll/McArthur: Maximiliane Vogler (12), Fr. Rose: Judith Scherer (12) Gerichtsmediziner: Mads Schulte-Wissermann (5a), Jörg-Lukas: Romi Schneider (5a), Guhl: Finn Waldecker (5c), Wilfried-Kaspar: Greta Kurth (5c), Adolf-Friedrich/Sr. Irene: Magdalena Schönig (5c)

Helfende Hände rund um die Schauspieler liehen: Maren Grünewald (12), Maja Hauswirth (10b), Katharina Hardt (12) (Maske), Hannah Jachmig (12) (Souffleuse)

Ein Dank geht wieder besonders an die Hausmeister und den Technischen Assistenten für den Bühnenaufbau und das Sekretariat für das Managen der Platzreservierungen.