Mit guten Argumenten nach Mainz


Soll der e-Sport als offizielle Sportart anerkannt werden?

Die Themen des Landesfinales Jugend debattiert orientieren sich diesmal an hochaktuellen und in diesem Fall jugendgemäßen Themen. Das Problem: Bis zu diesem Wettbewerb wusste Jakob, Sieger des Regionalverbund-Turniers, gar nicht, worum es sich bei e-Sport überhaupt handelt, weil er selber lieber Schopenhauer liest als „Leagues of Legends” zu daddeln.

Dass es hier vier Millionen aktive Spieler gibt, in Seoul Stadien mit 40.000 Zuschauern die World Cyber Games ausrichten und Fußballclubs wie Schalke 04, Paris St. Germain und Galataserai Istanbul längst e-Sport in ihre Trainingsprogramme einbauen, dass war zunächst gar nicht so bewusst.

Dass Sport-Unis mittlerweile Zahlen über die körperlichen Höchstleistungen auf den Feldern Hand-Auge-Koordination, Reaktionsgeschwindigkeit, Taktikverständnis und laterales Kreativdenken vorlegen, war ein zusätzliches Argument, mit der Zulosung zur Pro-Anwaltschaft mehr als nur zufrieden zu sein.

Eine Eingangsrede – nur 2 Minuten lang, aber gefühlt ein komplettes Sachbuchkompendium – die die Wirksamkeit des Trikolons, der Epipher, der Antithese und der Klimax mustergültig unter Beweis stellte, beeindruckte die aus erfahrenen Schülerjuror/inn/en bestehende Jury schwer. Da machte es auch erstmal nichts, dass die Contrapartei die fehlende Gemeinnützigkeit, die Trendabhängigkeit und die fehlende eigenmotorische Aktivität anmahnte. Schließlich saß Luna Sono, Koblenzer Mitsiegerin an seiner Seite, die den ersten Angriff konterte. In der zweiten Hälfte der offenen Aussprache allerdings enthüllte Jakob dann sein Talent, die Probleme auf den Begriff zu bringen, die Schwachpunkte der gegnerischen Argumentation gnadenlos aufzudecken und die eigene geplante Maßnahme als vielfältig sinnvolle gesellschaftspolitische Verbesserung darzustellen.

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So war die Jury am Ende überzeugt, Jakob und Luna in dieser Rund mit einer ordentlichen Punktzahl zu Favoriten zu erklären. Gestärkt durch die Geheimwaffe Banane, ein durch Herrn Jungbluth etabliertes und von Herrn Markovic, seinem betreuenden Lehrer, empfohlenes legales Dopingmittel, ging es dann in die zweite Runde.

Soll die Bekämpfung der Einsamkeit der wie in Großbritannien zur Regierungsaufgabe werden?

Es ist schon betrübend, dass unsere Gesellschaft soziale Phobien produziert, die zu dieser politisch viel Empathie erfordernden Maßnahmenforderung führt. Jeder fünfte Mensch über achtzig, jeder siebte über fünfundvierzig leidet an Einsamkeit. Manche Menschen führen nur e i n zwischenmenschliches Gespräch im Monat. Einsamkeit macht arm, Einsamkeit macht angstbesessen, Einsamkeit macht Radikalwähler. Somit also doch ein wichtiger Anlass, die Politik einzuschalten. Kann man da auf der Kontraseite überhaupt punkten?

Jakob kann. Geschickt lenkt er von dem Unbestreitbaren, dem Leid der Einsamen, auf die Politik. Ist ein Ministerium für Gemeinschaftszwang nicht ein listiger Alibiposten, mit dem man lästige Parteigenossen alimentiert, um notfalls einen Sündenbock zu haben, falls das Versagen der Politik der Einsamkeitswellle nicht abhilft. Was will ein Staat überhaupt tun, was die Kirchen und andere gemeinnützige Einrichtungen nicht schon längst unternehmen? Führt uns der Regelungswahnsinn nicht in die Dystopie des „Corpus delicti”-Romans von Juli Zeh? Starke Bedenken, gegen die sich die Pro-Seite zu wenig gewappnet hat. Sie argumentiert, dass Einsamkeit oft gewollt sei oder die Betroffenen selbst schuld und unbelehrbar seien.

Eine der Schülerjurys in intensiver Beratung.JPG

Am Ende verteilt die Jury, wieder drei Schüler/innen und eine zeitnehmende Lehrperson, fast die Höchstpunktzahl in den Kategorien Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft.

Als Wettbewerbsleiter Johannes Hilgart am Ende des Vormittags im „Haus der Jugend” Mainz die Finalisten vorliest, ist Jakob die Nummer eins, als Einziger hat er über 80 von Hundert Punkten erreicht. Luna war leider nach der zweiten Runde nicht mehr im Rennen.

Sollen Lehrerbeamte streiken dürfen?

Die Finaldebatte, diesmal im wegen Baumaßnahmen ins Landesmuseum ausgelagerten Interimslandtag, versetzt die Debattierenden in den ernsten Alltag der Erwachsenenwelt und in die Auseinandersetzung, was unseren Staat trägt und was nicht.

Welchen Zweck hat das Beamtentum, dass es scheinbar so viele Privilegien hat? Gibt es einen Unterschied zwischen einem Polizisten, einem Sachbearbeiter des Finanzamts und einem Lehrer hinsichtlich der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben? Klagen die wegen solidarischer Streikbeteiligung bestraften Lehrerbeamten nur ihr Recht auf Rosinenpickerei ein oder ein fundamentales Menschenrecht? Und ist das deutsche Beamtenrecht, im Widerspruch zum europäischen Gerichtshof stehend, noch zeitgemäß oder gar illegal? Schon zum Vorbereitungsgespräch in den Ferien kam Jakob mit vier eng getippten Blättern voller Rechercheergebnisse bestens vorbereitet. In der Finaldebatte auf Pro 1 gesetzt, erfüllte Jakob mustergültig die Aufgabe der Einführung in die Problematik und die Bestimmung der Maßnahme. Bei diesem komplexen Thema blieb aber kaum Zeit, eigene Argumente zu entfalten. Diese Aufgabe fiel der Partnerin zu, die dadurch trotz schwächerer Rhetorik zum Zuge kam.

In der freien Aussprache wehte ein äußerst scharfer Wind von der Kontra-Seite, denn der spätere Finalsieger war aus dem gleichen Holze geschnitzt wie Jakob. Der 16-jährige Laurenz Rieger vom Leibniz-Gymnasium in Neustadt an der Weinstraße überzeugte die Jury durch seine enorme Sachkenntnis und seine hohe Überzeugungskraft. Er argumentierte eindrucksvoll gegen ein Streikrecht für beamtete Lehrer. Wie schon in Koblenz lieferten sich drei der vier Finalisten ein rhetorisch brillantes Gefecht. Am Ende bestimmte die Jury Kristin Elsner, 17 Jahre, vom Lina-Hilger-Gymnasium Bad Kreuznach zur zweiten Siegerin, einerseits verdient, vielleicht aber auch mit dem Hintergedanken, dass schon in der Finalrunde der Altersklasse 1 zwei Jungen in durchaus umstrittener Entscheidung weitergekommen waren.

Die Urkundenverleihung.JPG

Rund 10.000 Schülerinnen und Schüler in 97 Schulen haben sich im laufenden Schuljahr in Rheinland-Pfalz im Rahmen einer Unterrichtsreihe an „Jugend debattiert beteiligt”. Das Finale verlief dabei nach folgenden Regeln: In jeder Debatte debattierten vier Schülerinnen und Schüler 24 Minuten lang eine Streitfrage. Wer Pro oder Contra vertritt, wird erst kurz vor dem Wettbewerb ausgelost , auf den man sich 10 Tage lang vorbereiten kann.

Die Moderation des Wettbewerbs lag in den Händen von Lisa Weglinski, einer ehemaligen Landessiegerin von Jugend debattiert. In der Jury saßen Landtagsabgeordnete, Richter, Universitätsprofessoren und Alumni, also ehemalige Bundessieger.

Auf dem Rückweg.JPG

Die beiden Debattensieger und die jeweils Zweitplatzierten erhielten als Preis für ihren heutigen Erfolg ein fünftägiges intensives Rhetorik-Training, das sie gemeinsam mit den Siegerinnen und Siegern der anderen Länder auf die Bundesebene des Wettbewerbs vorbereitet. Sie vertreten Rheinland-Pfalz zunächst bei der Qualifikation zur Bundesebene in Berlin. Dort werden sich am 16. Juni 2018 dann die acht besten Debattanten aus ganz Deutschland im Bundesfinale gegenüberstehen.

Jakob steht auf dem Nachrückplatz...

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