„Warum lässt Gott das Leiden in der Welt zu?“

Koblenzer und Lahnsteiner Schüler verbringen zusammen Akademietage

Immer kurz nach dem schriftlichen Abitur und vor den mündlichen Prüfungen können sich Schülerinnen und Schüler seit mehr als zehn Jahren mit Themen unter anderem aus den Bereichen Ethik, Wirtschaft, Naturwissenschaften und der Theologie auseinandersetzen. „Und zwar frei von schulischen Zwängen“, betonten Carl Josef Reitz, Schulleiter des Cusanus-Gymnasiums und Rudolf Loch, Schulleiter des Johannes-Gymnasiums.

45 Jugendliche und sechs Lehrer von beiden Schulen nahmen sich zwei Tage Zeit, um sich in der Jugendbildungsstätte Sonnenau in Vallendar der Theodizeefrage über Workshops, durch ein Gespräch mit der Holocaust-Zeitzeugin Henriette Kretz, einem Wortgottesdienst und vielen Diskussionen anzunähern.

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„Die Tage waren für uns auch für die Abiturvorbereitung gut, darüber hinaus war es aber auch ein interessantes Thema“, erklärten Antonia, Anna, Max und Amelie vom Lahnsteiner Gymnasium. „Wir haben gelernt, keine Angst mehr vor dem Tod zu haben und durch die Zeitzeugin wurden wir ermutigt, mit Leid besser umzugehen.“ Doch auch der Austausch mit den Schülern des Cusanus-Gymnasiums sei ihnen wichtig gewesen.

Jennifer vom Cusanus-Gymnasium fand es interessant, so viele unterschiedliche Einblicke in verschiedene Sichtweisen zu erhalten. „Meine Meinung zu dem Thema hat sich nun gefestigt, aber ich habe auch Neues dazugelernt.“ Dem konnte Lukas aus Koblenz zustimmen: „Ich kann nun andere Denkprozesse nachvollziehen.“

Den Startschuss bildete ein Vortrag von Prof. Dr. Georg Langenhorst, Professor für Didaktik des katholischen Religionsunterrichts und Religionspädagogik an der Universität Augsburg.

Die Ergebnisse ihrer Arbeiten präsentierten die Jugendliche unter anderem in Form einer Podiumsdiskussion, eines Interviews oder eines kleinen Theaterstücks.

 Die Fördervereine beider Schulen und die Schulstiftung des Cusanus-Gymnasiums unterstützten die Akademietage.



Herausgegeben von der Bischöflichen Pressestelle Trier, Redaktion Koblenz

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Bericht von Johannes Fritz (MSS 13, BCGK)

Die Fragestellung der Theodizee, also die Frage, warum Gott Leiden in der Welt zulässt, ist eine der existenziellen Herausforderungen, die sich Religionen wie das Christentum stellen. Wenn Gott doch – gemäß christlicher Überzeugung – allmächtig und allgütig ist, wieso lässt er Menschen auf der Erde an schlimmen Krankheiten oder durch Naturkatastrophen sterben?

Gerade in der heutigen Zeit, geprägt von Krieg und Terror, ist die Thematik der Theodizee aktueller denn je. Um sich der Theodizee anzunähern – lösen wird man sie wohl nie –, veranstalteten das Bischöfliche Cusanus-Gymnasium Koblenz und das Johannes Gymnasium Lahnstein vom 14. bis zum 16. Februar 2018 eine gemeinsame Abiturienten-Akademie, die in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal stattfand.

Ein überaus erkenntnisreicher und didaktisch wertvoller Vortrag von Herrn Prof. Dr. Langenhorst zum Thema „Hiobs Schrei in die Gegenwart: Gott denken angesichts von Leiderfahrungen“ führte alle Teilnehmer in die Komplexität der Theodizeefrage ein. Hiob, eine fiktive Bibelgestalt, soll uns Menschen helfen, Probleme zu überwinden und nicht den Gottesglauben zu verlieren. Das Fazit des Vortrags: Chaos bzw. Leiden im Leben von Menschen ist bittere Realität, jedoch von Gott „gebändigt“ und „kontrolliert“.

Am nächsten Tag fanden sich Schüler und Lehrer beider Schulen in der Jugendbildungsstätte Sonnenau (Vallendar) für zwei Akademietage in insgesamt vier Seminargruppen ein.

Am Anfang des Seminars stand ein sehr interessanter und bewegender Vortrag von Holocaust-Zeitzeugin Henriette Kretz auf dem Programm. Die dafür eigens aus Antwerpen angereiste Referentin schilderte uns eindrucksvoll ihre Erlebnisse aus dem 2. Weltkrieg, wie ihre beiden Eltern durch die Nationalsozialisten umkamen sowie ihre Lebensgeschichte nach dem Krieg bis in die Gegenwart.

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Anschließend teilte sich die Gruppe in vier kleinere Seminargruppen auf, um sich tiefergehender mit der Theodizee-Thematik auseinanderzusetzen.

Ein Seminar unter der Leitung von Herrn Reitz und Herrn Loch stand unter dem Thema „Warum lässt Gott Erdbeben, Tsunamis und Naturkatastrophen zu? – das Problem der natürlichen Übel“. Anhand verschiedenster Texte – die Bandbreite reichte von Gläubigen bis Atheisten – wurden aktuelle Antwortversuche zum Problem der natürlichen Übel erarbeitet und innerhalb der Gruppe diskutiert. In einem zweiten Seminar, welches unter dem Titel „Der allmächtige Gott und das Leid in der Welt – wie man auf philosophischem Wege einem Widerspruch zu Leibe rückt und dabei nicht als hoffnungsloser Atheist herauskommt“ stand, beschäftigten sich Herr Dr. Otto und Schüler mit dem Gottesbegriff aus philosophischer Sicht sowie auch mit der potentiellen Notwendigkeit eines Gottes für Philosophen. Eine dritte Seminargruppe unter der Leitung von Frau Grimm und Herrn Lukitsch setzte sich mit dem Thema „Umgang mit Sterben und Tod“ auseinander und beleuchtete dabei näher Todes- bzw. Bestattungsrituale, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet haben. Schüler in der vierten Seminargruppe sowie die Lehrer Frau Baumann und Herr Barth gingen der Fragestellung „Überall Leid – und kein Gott?“ auf den Grund und erkundeten auf diese Weise näher, ob es sich ohne einen Gott besser leben lässt. Ferner wurden diese Konzepte auf ihre Tragfähigkeit in existenzieller Hinsicht geprüft.

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Eine abschließende Präsentation im Plenum rundete die Akademie trefflich ab. Diese umfasste unter anderem eine Podiumsdiskussion sowie einen sehr schön gestalteten Gottesdienst in der Hauskapelle der Sonnenau. Es war wirklich beeindruckend zu sehen, was die Schüler in dieser recht kurzen Vorbereitungszeit mit Hilfe von Lehrern auf die Beine gestellt haben.

So kann mit Fug und Recht am Ende der Akademie behauptet werden, dass wir uns der Komplexität der Theodizeefrage ein gutes Stück angenähert haben, auch wenn es mit großer Wahrscheinlichkeit niemals eine Lösung dafür geben wird.

Auch abseits des Seminars wurden die Stunden in geselligem Beisammensein verbracht.

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Wie üblich in der Philosophie, hätte man sicherlich noch Wochen in diesen Gruppen weiter arbeiten können, ohne dass man das Gefühl hätte, es wäre schon alles gesagt.

Dies ist einmal mehr der Beweis für das gelungene Konzept der Akademie, aber auch der Begeisterungsfähigkeit der Lehrer und Schüler.